Nachmittage

Nachmittage

von einem Festival Montag

Es war einer dieser Nachmittage, mit einer Stimmung, so allumhüllend. Sie kam aus dem Aufbruch, lag in der Aufbruchsstimmung, hatte sie in sich.
Erlebtes hinter uns gelassen, den Einschub vollendet. Die Tür des Vans schloss sich und alles löste sich. Druck und Spannung vergangen. Wir hatten's geschafft und, wir hatten's eben gut gemacht.
Meine Leute saßen zusammen, hier und da, genossen letzte Momente gemeinsam. Was auch immer es ist, es wird so schnell nicht wiederkommen.
Eine wohlverdiente Pause von Realität und Härte. Für viele hier bedeutet das Sauerstoff. Sie brauchen, was wir kreieren, um weiter zu machen.

An diesem Wochenende spürte ich euren Schmerz so deutlich. Als unsichtbarer Begleiter färbte er ein, wie ich's nicht hab kommen sehen. Mein Schmerz mischte sich da auch drunter. Seine Farbe kräftig, so sichtbar; ich fühlte ihn allezeit.


Hülle und Fülle - meine Hülle durch diesen letzten Tag gefüllt. Ein weiteres Mal vor Augen geführt, warum es die Menschen sind, warum es die Gemeinschaft braucht. Und die Freiheit. Hier draußen, zwischen den Feldern und Seen des Brandenburger Lands ist sie zu spüren, wie kaum irgendwo. Könnt ich eines mitnehmen - ich würd diese Freiheit in meiner Hosentasche verstauen. Sie würde mein treuer Gefährte werden und ich auf sie achten, als wäre sie die Luft selbst.

Ein letztes Mal an diesem Wochenende brennt die Sonne auf unsere vernebelten Köpfe, dabei wollt ich mich so gern unter der Wolkendecke verkriechen.
Doch beschert sie, was den Sommer füllt. Die Freiheit wird nur noch größer springen wir nackt zusammen in den See. Hier bin ich behütet, die Mauer dünn. Das Wasser erschrickt mein Herz, so wie der Gedanke an den Abschied. Noch ein Mal

Nur das, nur das.


Die Dunkelheit dieser Nacht verbrachten wir unter Lichterfluten und einem Meer aus Tönen. Alles ein. Verschwimmende Wahrnehmung bringt mich näher zur Wahrheit und verschwommen wirkt alles so klar.


Wir stecken unsere abgekühlten Körper wieder in ihre Umschläge und machen uns auf. Zurück wo's hart ist, wo wir herkomm.

Felder und Hügel erstrecken sich im trägen, anfänglichen Spätsommer. Nirgends scheint es so frei wie hier und nie so, wie zu dieser Zeit. Der Sommer zwischen den gelben Feldern - eine größere Freiheit hab ich nie gekannt. Bäume noch grün, doch die Felder verwandeln sich bereits zu staubigen Landmassen.

Wir teilen unsere Geschichten. Die, von wo wir herkommen und verstehen etwas mehr, wie wir geworden sind, wer wir grad sind. Die Menschen, die endlich zusammen hier sitzen.

Ich bin überrascht von fast allem, was du sagst. Ich weiß, du siehst mich, kann aufhören zu kämpfen. Lass mich fallen; zumindest ein Stück.

An diesem Nachmittag existieren bloß wir und unsere Geschichten, beschützt auf der Vorderbank des weißen Transporters. Mit Chaos im Laderaum- wie sinnbildlich.

Fühlt sich an wie Spätsommer in einem alten Film. Hast du's vor Augen? Kein Schleier von Wolken, keine schleierhaften Gedanken und keiner vor den Augen. Wir sind jetzt groß, tragen Verantwortung nur für uns, und füreinander, weil wir das wollen. Groß und machen, was wir wollen.


Ein Versuch die Freiheit einzufangen, sie festzuhalten, um sie später erneut zu fühlen. An diesem Tag war sie in Momenten greifbar. Freiheit in meinem Schoß, nirgends so ehrlich, wie auf der Heimkehr eines Festivals. Getanes ist getan und keiner mag so wirklich dran denken, was nun kommt, was wieder wartet. Ein paar letzte Minuten der reinsten Unbekümmertheit. Hier, zwischen den staubigen Feldern und dem vor Hitze ergrauten Himmel meiner Heimat. Wir teilen Musik und Kaffee und unsere vielleicht wahrsten Gesichter. So wie mans macht nach geteilter Nacht.

Kurz ist's wieder wie auf Reisen, kurz bin ich wieder in meinem Element. Dem Einzigen, was ich so richtig kenne, stelle ich nun fest.


Und wie ein altes Foto lege ich diesen Nachmittag ab, konservier ihn. So liegt er sanft eingebettet zwischen all den anderen. Wiegst leicht, dass ich schwebe und machst mich so voll.

Du siehst, auch ich will, dass Dinge ewig bleiben. Doch es ist vorbei, wenn die Tür des Vans sich öffnet und zum letzten Mal schließt.