Snippet: über eine Zeit

von Gedanken am Ende eines Jahres
die Zeit schreitet und schreitet und schreitet. Und weil sie das tut müsst ich ihr eigentlich gar keine große Aufmerksamkeit schenken - vielleicht nur Achtsamkeit dafür, dass sie existiert und ich sie nicht einfach verstreichen lassen will. Das hat sich mit der Zeit, wie mit dem Atem. Beide sind immer da und wenn eines von beiden verschwindet, tut es das andere auch.
Es ist der 23. Dezember. Der kürzeste Tag des Jahres liegt hinter uns und wir haben nun offiziell Winter. Meine Mum erzählte mir, dass ich zu dieser Zeit vor einem Jahr bei ihr gewesen bin. Ich möchte nicht daran denken - vor einem Jahr war alles noch so anders. Da stand ich im Einfluss von vielen Dingen, unter dessen Einfluss ich nicht stehen wollte, nicht mehr stehen wollte.
Da hatte ich Angst - vor mir, vor ihr und ihm. Großes stand bevor, während ich großes zurückließ. Ja, einen Schritt, der so viel anstößt hatte ich noch nicht oft gemacht. Ich verließ meinen Job (das war nichts Neues) mit einem Krach (auch das war nichts Neues, aber das mit dir hing mir nach).
Ich verließ meinen Heimatkontinent, brach auf in eine Welt, die ich kaum aus Dokus, mehr aus Erzählungen kannte und tat dies ohne den Menschen, der so lange so gut an meiner Seite war. Ich verließ meine Partnerschaft und während mich nun alle fragen, warum sie nicht mitgekommen ist höre ich endlich auf mich das zu fragen. Weil es genau richtig so war, ich das damals wusste auch, wenn das Wissen unter so viel Schmerz, Schuldgefühlen und "was wäre wenn's" vergraben war.
Ich wollte einfach keine Kompromisse mehr, keine halben Sachen. Ich wollte die Freiheit und ich wollte sie ganz.
Ich wusste es war richtig, weil ich es fühlte und mir vertraute: dass ich zur Ferne und ihren unbekannten Straßen besser passe, als ich's hier tue, zwischen dir und einer abgelaufenen Version von mir/uns. Und doch tanzte ich einen ganzen Monat nach unserem Tschau den wildesten Tango, wollte die Wahrheit nicht wahrhaben, die Tür nicht ganz schließen, die Gewissheit nicht annehmen. Das brachte mich irgendwann zu Fall und auch das war ok, denn ich wurde aufgefangen, ziemlich sanft sogar.
Ich erinnere mich, wie mein Herz auf dem Weg ins Flugzeug erneut brach. Wissend, es ist der Anfang der gleichzeitig beendet & versiegelt, was davor war. Bin ich erstmal weg, würde ich erstmal weg bleiben und meine erste Liebe würde passé bleiben. Doch unser Ende schlummerte schon so lange.
Das mit der Freiheit hat nicht absolut geklappt, doch es klappte immer wieder, hier und da. Die einzelnen Fetzen kamen in einem bunten Bild zusammen. Es hängt nun in meinem Zimmer und ist mir eins der liebsten. Es formt wer ich bin, was ich fühl und was ich tu. Es ist Teil meiner Basis, gibt mir die Festigkeit benötigt, um dieses Leben so zu leben, wie ich das vorher immer wollte. Mit ganzem Herzen, vollem Elan und immer wieder aufstehend.