Taitung / Tái dōng / 臺東

Taitung / Tái dōng / 臺東
sunset over egret lake, 02/02/24

30/01-06/02
Travelblog 3
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Das Meer wurde unbemerkt zum Bindeglied, zum Dreh- und Angelpunkt meiner Woche in Taitung. Fast jeden Tag stattete ich ihm einen Besuch ab oder begab mich in seine Richtung.

Mittwoch Abend, ich hatte den Tag über gearbeitet, fuhr ich zum ersten Mal rein in die Stadt. Hier in Taitung ist es endlich warm. Die kalten Tage sind auf jeden Fall zu Ende und überwunden. Nun endlich wieder in Shirts und kurzer Hose rumlaufen zu können ist toll auf der einen Seite. Auf der anderen ist es mir des öfteren natürlich auch schon wieder zu warm. Doch ab und zu hat es hier die angenehmste und mir wohlste Temperatur. Für diese Momente lebe ich.

Ich stieg aus dem Bus und fühlte mich auf wundersame Weise direkt heimisch und irgendwie angekommen.

Ich wollte unbedingt ans Meer, bevor die Sonne unterging und machte mich direkt auf den Weg. Ich machte noch ein paar Erledigungen, aber alles ging schnell und einfach von der Hand. Dass alltägliche Dinge endlich etwas einfacher werden, das gab mir ein wunderbar wohliges Gefühl.


Der Strand von Taitung ist kein Sandstrand, sondern besteht aus perfekt abgerundeten kleinen bis mittelgroßen Steinen. Solche, aus denen sich großartig Türme bauen lassen. Viele solcher Steintürmchen standen schon am Strand verteilt. Ich baute noch zwei dazu.

Ich weiß nicht, wie und warum das Meer hier eine solch fantastische Farbe hat, doch wirklich überall, wo ich es bisher sehen konnte hat es diese grandiose Farbe. Ein helles, schimmerndes Blau, teils ganz türkis, an grauen Tagen gräulich, aber nie dunkel. Es wirkt sehr tropisch. Vielleicht ist das einfach, wie das Meer in tropischen Regionen aussieht. Wie auch immer dem ist, mich faszinieren diese Farben ganz besonders.

Es war vergleichsweise viel los am Strand. Familien saßen auf den noch warmen Steinen, machten Fotos und genossen ihr Zusammensein. Ich legte meine Sachen ab, zog die Schuhe aus und krempelte meine Hose hoch. Endlich wollte ich zumindest mal mit den Füßen das Wasser spüren können. Ich hatte schon gehört, dass es warm sein sollte - und das war es wirklich! Wie ich mich darauf freue, wenn ich das erste Mal reingehen kann. Hier in Taitung ist es dafür leider zu wild.

Das Gefühl des Wassers an meinen Beinen und die Art, wie es meine Füße unterspült, wenn sich die Wellen zurückziehen, dass ist genau, wie ich es von überall gewohnt bin. Zu spüren, dass manche Dinge einfach gleich sind, egal wo auf der Welt man ist … es ist schwer zu begreifen und gleichzeitig wunderschön.

Die nächste Welle schlug höher, als alle anderen vor ihr. Ein Junge, der neben mir auf einem der Wellenbrecher stand erschrick sich mit mir, als wir beide plötzlich um einiges nasser waren, als gewollt. Wir lachten.

Erst als es fast komplett dunkel war kehrte ich zurück in die Stadt. Zu schön war es, dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen zuzuhören und die Gischt auf meiner Haut zu spüren.

In der Stadt traf ich einen Typ, den ich morgens in meinem Hostel kennengelernt hatte. Zusammen schlenderten wir über den Nacht Markt von Taitung und wechselten Geschichten aus über die Orte, an denen wir schon alles waren.

Manchmal denke ich, ich werde es irgendwann leid immer wieder neue Menschen kennenzulernen und damit immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Doch nun merke ich, dass das gar nicht wirklich der Fall ist. Mit jedem Menschen, den ich neu kennenlerne teile ich wieder andere Geschichten aus meinem Leben. Und bekomme andere Geschichten zurück. Mit jeder Begegnung erweitert sich meine Sicht und bekomme ich neue Eindrücke in andere Welten. Natürlich gibt es Tage, da fällt mir das Kennenlernen schwer. Doch lohnen tut es sich doch immer.

Ich holte mir eine Schokomilch beim FamilyMart, um die Wartezeit auf meinen Bus zu verkürzen. Sie gab mir ein solches Zuhausegefühl. Lustig, wie das überall auf der Welt funktioniert.

Irgendwie ist es überall anders und doch auch genauso, wie überall sonst. Und gleichzeitig ist es auch komplett anders.

Irgendwie macht es keinen Unterschied, wo ich bin. Irgendwo muss ich ja sein. Gleichzeitig macht es einen solch gravierenden Unterschied, wie ich es mir nicht vorstellen kann, bis ich da bin.


Freitag

Es stand gar nicht zur Debatte - dieses Wochenende wollte ich Rad fahren. Schon vor zehn Uhr morgens saß ich auf dem Sattel eines soliden Mountain Bikes und fühlte mich noch hundert mal mehr angekommen in diesem Land. Die ersten Paar Tritte erfüllten mich mit so viel Freude und Energie. Fahrradfahren hat irgendwie einen besonderen Platz in meinem Herzen. Zusätzlich war das Gefühl endlich mal nicht von den Fahrzeiten der Buse abhängig zu sein so befreiend. Ich konnte jetzt hinfahren wohin ich wollte, auf und absteigen wann und wo es mir gefiel.

Ich fuhr die Küste nach Norden hoch. Es war unglaublich warm. Ich hatte darauf gehofft, dass es sich bewölkt, doch davon war keine Spur, und das blieb auch so. Nach der ersten Stunde hatte ich Angst, ich würde mir einen Sonnenstich holen. Den gab’s nicht, aber dafür einen ordentlich verbrannten Nacken.


Ich machte überall halt, wo es schön war. Mein erster Stop war beim geologischen Park der Ostküste Taiwans. Die Geologie, um die es ging, war die Küste. Noch mehr Meer also!

Auf den Infotafeln wurde über den Tofu-Felsen, den Pilz-Felsen und den großen Frosch geschrieben. Und ja wirklich, die urigsten Stein und Felsformationen waren hier am Meer zusehen. Der Boden, auf dem sie lagen, war auch mehr als außergewöhnlich. An diesem Ort, wie an keinem anderen an def Ostküste, waren die Bewegungen der tektonischen Platten zu erkennen. Das Gestein der Küstenlinie war aufgeschoben, wie ein Fächer. Gleichzeitig ähnelte seine Struktur die von großen Pflastersteinen. Ich bin mir sicher, dass dieser Ort der Himmel ist für alle Steinbegeisterten.

Ich fuhr weiter Richtung Norden. Entlang der Autobahn, das hellblaue Wasser zu meiner Rechten und die grün bewachsenen, Zuckerhutförmigen Berge zu meiner linken. Durch Palmenwälder hindurch und ein Dorf, überseht von kleinen Cafés mit Namen wie Coconut-Café oder the Wave-Café. Moderne, chic gemachte Stätten, die Touristen (und mich) magisch anzogen, während auf der linken Seite die kleinen, authentische Etablissements lagen. 


Ich kam zu einem plötzlichen Halt, als ich die bunteste Tempelstätte erblickte, die ich bisher gesehen habe. Ich parkte mein Rad und ging durch den hohen Eingangsbogen. Dieser, der eigentliche Tempel und zwei kleinere Türme waren zu sehen. Sie alle erstrahlten in den buntesten Farben und waren verziert mit solch Detail. Drachen, überall wo man hinguckte und szenische Bilder mit Kriegern, die gegen Fabelwesen kämpften. 

Ich traf auf zwei wunderbare Menschen und wiedermal fühlte sich die Begegnung an, wie vorherbestimmt. Wir erzählten einander viel von den Orten von denen wir kamen und an die wir noch gehen werden. Sie zeigten mit ihr wundervolles Zuhause in den Wäldern von Québec. Solch echte Begegnung sind es, die mir die Magie des Lebens nochmal verdeutlichen.

Unsere Wege trennten sich, fürs erste, und ich fuhr an den Zielort meines Tages, auf Google Maps ausgeschrieben als: wo das Wasser aufwärts fließt. Und das tat es wirklich. So ähnlich habe ich es zuvor nur auf Madeira gesehen.

In der Nähe hatte ich mir zuvor bereits ein Restaurant ausgeguckt, in dem ich gerne Mittag essen wollte. Auf Google Maps sah es sehr eigen und weniger dem Standard entsprechend aus. Das fand ich irgendwie ansprechend. Marges Kitchen hieß der Ort. Die Küche war philippinisch, was mir eine gute Abwechslung bot.

Ich wurde überrascht. Marges Kitchen war gleichzeitig Marges Zuhause. Eine kleine Theke nach außen hin, an der man bestellen konnte, doch das Restaurant war drinnen, in dem Innenhof ihres Hauses. Sie bat mich direkt hinein und ich nahm Platz. Ich war die Einzige und so fühlte es sich irgendwie an, als würde ich bei einer Mutti im Wohnzimmer sitzen. Marge ist Philipino und entsprechend ist das Essen, denke ich, ich war ja noch nie da.

Sie machte den TV für mich an, auf dem die schnulzigsten Love-Hits abgespielt wurden, die man sich nur vorstellen kann. Begleitet wurde das ganze von einem gleichbleibenden Bildschirmschoner. Wellen, die im gleichbleibenden Rhythmus auf den Strand trafen. Möwen, die in gleichen Kreisen am Himmel flogen.

Nach einer Weile kam ein anderer Gast. Eine junge Frau, die mir auf Grund ihres Wanderoutfits direkt sympathisch war. Sie sprach mich an, womit weiß ich nicht mehr genau. Ich war bereits fertig mit meinem Essen, doch saß noch bestimmt eine Stunde mit ihr bei Marge und unterhielt mich mit ihr. Sie kommt aus Taipeh und ist grad hier, um der Stadt zu entfliehen. Es war wirklich interessant, worüber wir uns austauschten. Es überrascht mich immer wieder, was die Menschen für ein Bild von Deutschland haben. Hier sind wir immer noch pünktlich, genauso wie unsere Züge. Hier sind wir immer noch effizient und organisiert.

Nach einer Weile mussten wir Marges Kitchen verlassen, weil Marge sich zum Mittagsschlaf legen wollte. Die Frau lud mich spontan auf einen Tee zu sich ein. Ihre Ferienwohnung war nur einige Minuten entfernt.

Tee nimmt einen großen Platz in der Kultur Taiwans ein. Doch war es bisher schwer diese Kultur kennenzulernen.
Sie hatte einen besonderen Tee aus Taitung mit sich, den sie mit mir teilte. Was eine Tee Zeremonie hier ausmacht? Es geht um die Beziehung, die du mit dem Tee hast. Du sollst fühlen, wie viel Tee es für dich braucht, und wie viel Wasser.
Die Teeblätter waren eingerollt zu kleinen Kugeln und rochen fantastisch aromatisch. So füllte ich meinen Becher mit der Menge Tee und heißem Wasser, die ich für angebracht hielt, deckte den Becher ab, und wartete. Nach ein paar Minuten hatten sich die Blätter vollständig geöffnet. Ich war fasziniert von der Hingabe, die die Menschen für den Tee pflegen.


Am Samstag dann fuhr ich erneut los mit meinem Rad, dieses Mal in Richtung Süden. Heute gab es keine Sonne für mich, was gut war, denn ich hatte immer noch keine Sonnencreme. Ich genoss die Kühle des bewölkten Himmels, war dankbar, dass es heute leichter sein würde zu fahren. Ich fuhr 30km gen Süden in ein Dorf namens Taimali. Hier wohnen viele Menschen von einem der Taiwanesischen Stämme. Die Straßen waren gesäumt mit unzähligen Statuen von Kriegern dieses Stamms.

Just in dem Moment, als ich ankam fielen die ersten Tropfen. Sie mehrten sich und gingen nach kurzer Zeit über in einen mittelstarken Regen, der nicht mehr aufhörte, bis ich wieder in meinem Hostel angekommen war.
Ich war nass bis auf die Knochen und meine Schuhe sollten noch Tage später vollkommen durchnässt sein. Doch irgendwie war es nicht weiter wild. Es amüsierte mich eher. Ich wusste, es würde nichts bringen mich wegen des Regens aufzuregen, besorgt oder verärgert zu sein. Der Regen fiel so oder so. Diese Akzeptanz fühlte sich gut an, denn sie bewahrte mir meinen Frieden.

So kam ich zuhause an, vollkommen durchnässt, mit müden Beinen und großem Hunger. Doch es war alles gut. Ich hatte einen schönen Tag.


Taitung ist eine wunderbare kleine Stadt, ja wirklich. Die Menschen wirken entspannt und als hätten sie Zeit zu genießen, dass sie ihr Leben haben. Es ist hier, wo alles begann sich für mich zu normalisieren. Abends spät durch die Straßen zu schlendern, mit Snacks vom 7/11. Aus dem Kopf zu wissen, welchen Bus ich nach Hause nehmen muss. In Cafés zu arbeiten, zusammen mit all den Studentinnen.
Was ich hier wieder gewinne habe ist die Routine und die alltäglichen Dinge des Lebens. So fühlt sich alles weniger und weniger utopisch an und mehr wie ein Ort, der wirklich existiert. Über Google Maps hinaus und außerhalb meines Telefons.


Zusammen mit meinem Bubble Tea schlendere ich durch die kleinen Straßen der Stadt. Mein Weg führt mich entlang alter Bahngleise, die noch immer durch die Stadt laufen. Ihre Zeit ist längst abgelaufen, doch die Erinnerungen darüber, was sie brachten, bleibt. Ein alter Wagon, die letzte Umsetzanlage.
Im Park hängen an Leinen gehängt kleine Heißluftballons. Als ich am Abend wiederkomme sind sie alle erleuchtet. Ein kleiner Fluss aus Lichtern. Der Park ist nun voller Leben, voller Stimmen. Hier und da geben Künstler ihre Musik zum besten. Die Zeit zu haben einfach nur bei ihnen zu sitzen und zu horchen - das ist, was mich wirklich dankbar fühlen lässt.

Ich treffe meine Freunde von Freitag wieder. Es ist eine wunderbare Begegnung. Voller Wärme, voll von Lachen und Liebe. Sie bringen mich noch zum Bus, aus Sorge, dass ich diesen verpassen könnte. Was ein einzigartig schönes Gefühl zu merken, dass du überall auf der Welt auf Menschen treffen kannst, die sich um dich Sorgen und sichergehen wollen, dass du sicher nach Hause kommst. Ich hoffe ich werde sie bald wiedersehen.


Ich schreibe die heutige Woche zu Ende mit meinen Füßen im Sand am Strand von Baisha. Das Wasser ist hier vielleicht sogar noch ein bisschen heller. Ach, wie schön es ist am Meer zu sein.