Travel Blog die Zweite

Travel Blog die Zweite
Random garden in Xincheng

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you can find the English version on the zo in Asia page!! :)

https://www.zoiswriting.com/zo-in-asia-2/

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Heute schreibe ich für euch aus einem Laundromat in Taitung. Taitung ist eine Kleinstadt an der Ostküste Taiwans, umgeben von National Parks, grünen Weiten und hat das Meer direkt vor der Nase.

Leider habe ich mein Hostel aber wieder etwas fernab vom Schuss gewählt. So bin ich nicht wirklich richtig in Taitung, sondern ein ganzes Stück weiter nördlich. Das mit der Hostel Auswahl üben wir wohl nochmal...

Note: ich bin 2 Wochen ausgekommen, ohne Wäsche zu waschen. Das find ich doch recht beachtlich.


Die letzte Woche war meine erste ganze Woche in Taiwan. In dieser verging kein Tag ohne Herausforderungen und keiner ohne, dass ich unzählige neue Erfahrungen gemacht und Eindrücke gesammelt hab.

Letzten Montag noch war ich in Taipei.

Im Vergleich zu allem, was ich danach erlebt habe ist Taipei ganz schön riesig und vergleichsweise westlich. Es ist voll und, wie jede andere Großstadt, eine große Häuserlandschaft. Es ist genauso, wie alle sagen: ein komplett anderes Taiwan, als der Rest des Landes.
So dachte ich nach meiner Zeit dort, dass es gar nicht nötig wäre chinesisch zu lernen und, dass es vegetarisches Essen wie Sand am Meer gibt. Doch diese Annahmen haben sich nicht über die Stadtgrenzen Taipeis hinaus bewährt. Eher gibt es vegetarisches Restaurants so häufig, wie es Mülleimer auf den Straßen gibt: sie sind ein seltener Fund. Doch ich habe grad gelernt, was ich sagen muss, um nach vegetarischen Gerichten zu fragen, und das lässt mich um einiges sicherer fühlen.

Wenn ich gar nicht weiter weis und planlos vor einer Speisekarte stehe, dann hilft mir die Google Lens inzwischen zuverlässig weiter. Es ist traditionelles Mandarin, was ich hier brauche, nicht die vereinfachte Form. Klar! hätte ich auch direkt wissen können.


Die Woche begann mit langen Nächten, die ich mit Freunden draußen und in Bars verbrachte - das fühlt sich schon so lange her an.
Die Woche ging weiter mit etwas Arbeit. Zur Zeit besteht diese wirklich hauptsächlich aus dem Schreiben von Texten über Themen, wie Nachhaltigkeit und Klimawandel. Nach dem ich so viel darüber gelesen und gehört habe, wie schwer es ist heutzutage eine Stelle im Copywriting zu bekommen, die dann auch noch gut bezahlt wird, bin ich noch viel freudiger & dankbarer. Es ist für mich tatsächlich, wie ein kleiner Traum der wahr wird -

ICH SCHREIBE UND WERDE DAFÜR BEZAHLT.

Das ist für mich was ganz Großes.

Ich merke außerdem, dass es mir eine Menge Sicherheit gibt einen Job zu haben und damit die Möglichkeit Geld zu verdienen. Trotzdem bin ich oft besorgt, ob und wie lange mein Geld reicht, ob ich vielleicht mehr arbeiten sollte und ob ich meine Ausgaben besser überwachen sollte. Tatsächlich ist Taiwan ein ganzes Stück teurer als die Länder in Südostasien. Trotzdem natürlich kein Vergleich zu Deutschland!

Aber es muss reichen, denn: ich will nicht mehr arbeiten, als ich es grad tue. Dafür bin ich nicht hier.
Ich möchte nicht, dass sich mein Leben um den Job und die Zahlen dreht.
Und ich möchte nicht auf Erlebnisse verzichten für die Arbeit.
Ab und zu vielleicht. Doch die Arbeit ist nicht der Fokus meines Lebens.
Hinterfragen und Überdenken tue ich trotzdem, ob ich meine Reise wirklich so lebe, wie ich es mir vorgenommen habe. Und ob ich stets versucht bin, das Beste aus meinen Tagen zu machen.

Das ganze in Frage stellen, all die Sorgen und die Gedanken, die werdeb sich auch wieder legen. Ich muss nur ein Wenig vertrauen in mich und mein Tun haben.

Und so werde ich eigentlich mit jedem Zweifel, der aufkommt, bloß sicherer. Denn jeder mit Zweifel gefüllte Gedanke lässt mich erinnern, dass wirklich & ehrlich ich es war, die dieses Leben erschaffen und aufgebaut hat. Ich war es, die die Fokuse gesetzt hat, die mein jetziges Leben charakterisieren. Und ich bin es, die jeden Tag aufs Neue entscheidet, was wichtig ist & was nicht und was ich brauche & was nicht.

Sorgen werden immer in irgendeiner Form kommen, immer für eine gewisse Zeit bleiben, aber eben auch irgendwann wieder gehen. Ganz so, wie Wolken, die über die Landschaft ziehen. Ich will mich beruhigt zurücklehnen und genießen, was ich erschaffen habe. Das habe ich mir verdient.


Ins kleine Xincheng bin ich am Mittwoch eigentlich gereist, um möglichst nahe am Taroko Nationalpark zu sein. Mein Plan war es, so viel Zeit, wie möglich dort zu verbringen. Lange, ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen. So ganz ist dieser Plan nicht aufgegangen. Und das war irgendwie wertvoll zu erfahren.

Direkt am Donnerstag setzte ich mich in den Bus Richtung Taroko. Und um ehrlich zu sein: ich hatte einfach gar keinen Bock. Die Ruhe, die Xincheng umgibt, die hat auch mich runtergebracht. So war mir an diesem Tag eigentlich nach nichts, außer rumzuliegen und New Girl zu schauen. Doch ich fühlte den Druck, etwas aus meinem Tag zu machen. Zusätzlich dachte ich mir, dass Bewegung und frische Luft mir schon an so manchen Tagen dabei geholfen haben aus dem Quark zu kommen.

Doch an diesem grauen Donnerstag war das nicht der Fall. Zwei Wanderungen fing ich an, nur um angestrengt und genervt wieder umzudrehen. Am Ende lief ich vom Nationalpark nach Hause und war mehr als erleichtert.

Es ist immer wieder verwunderlich, wie Erwartungen spielen und was sie mit einem machen. So merkte ich an diesem Tag, dass mich der Gedanke daran allein durch einen Nationalpark in Taiwan zu wandern ziemlich nervös machte und mit gar nicht mal so viel Freude erfüllte. Auch das ist eben neu. Es ist ein anderes Land, es gibt andere Dinge zu beachten. Hier streifen große Affen durch die Bäume über meinem Kopf und ich muss Acht geben auf giftige Schlangen und Wespen. Hier bin ich mir nie komplett sicher, ob der letzte Bus auch wirklich fährt und verstehe die Sprache auf dem Halteschild nur mit Übersetzer.


Am Freitag dann war schon ein besserer Tag. Am Freitag ist mein letzter Text über die Magie in Xincheng entstanden. Sich auf die kleinen Dinge zu konzentrieren, dass tat mir wohl ganz gut.

Doch am Samstag habe ich es dann nochmal gewagt. Wieder setzte ich mich in den Bus nach Taroko und blieb dieses Mal einfach länger sitzen. Ich wollte gucken, was sich so ergibt und einfach nehmen was kommt.

Was kam, waren zwei junge Frauen, beide in meinem Alter, die sich neben mir auf die letzte Bank des Buses setzten. Ich fragte sie nach Rat, wo es am besten wäre auszusteigen - von da an verbrachten wir den ganzen Tag miteinander.

Sie kamen beide aus den Staaten, eine von ihnen aus Chicago. Beide gehen derzeit in Taipei zur Schule, um Mandarin zu lernen. Wir waren alle komplett verschieden, doch unser staunen über die Wunder von Taroko war gleich. Noch nie habe ich so eine unfassbare Marmorierung von Gestein gesehen. Die Felsen sahen ungelogen aus wie bemalt.
Das, was den Taroko Nationalpark auszeichnet ist die Schlucht, die sich kilometerlang durch die Landschaft zieht. Schier endlos zieht sich die Straße eng zwischen Felswand und Kluft entlang. Tief unten fließt ein Fluss mit dem klarsten Bergwasser. Zu dieser Zeit trägt er nicht viel Wasser, doch der Schönheit tut dies keinen Abbruch.


Am Sonntag dann fuhr ich in die nächstgelegene Stadt, nach Hualien. Ich sehnte mich nach etwas Trubel, oder zumindest danach mal mehr als 5 Menschen zusammen zu sehen.

Die beiden, die ich am Tag zuvor beim Wandern kennenlernen durfte, die traf ich hier zum Brunch. Später am Tag würde ich noch mit einer Freundin, die ich in Taipei kennengelernt habe, Zeit verbringen. Das ich so schnell einen solch sozialen Sonntag verbringen würde, hätte ich glaub ich nicht für möglich gehalten. Es stimmte mich ganz schön froh.

Lange liefen wir durch die Stadt. Ich wollte unbedingt die Scallion pancakes probieren, und das taten wir dann auch.

Sie waren unfassbar gut. Dazu hatte ich einen Lemon Winter Melon Tee. Für alle, die noch nie von Winter Melon gehört haben (mir eingeschlossen), hier ein Bild:

Winter Melonen Tee hat einen süßen, buttrigen Geschmack. Für mich schmeckte der Tee tatsächlich nach Popcorn! An sich ist diese Melone wohl nicht süß, aber sie wird mit Zucker verarbeitet. Der Zucker ist, was diesen einzigartigen Geschmack zum Vorschein bringt.


Der Tag nahm seinen Lauf und wir endeten ab in einem Café namens Black Whale. Hier hat zo endlich ihren langersehnten Café mit Oatly Milk bekommen. Wären die Dinger bloß nicht so teuer...

Das Café entsprach mir wunderbar. Alles war im Walthema dekoriert. Zeichnungen von Walen an den Wänden, Wal-Kekse, Wal-Sticker und unzählige Fotos.

Wir trafen dort auf eine junge Frau mit einem Hund und kamen ins Gespräch. Auch sie hatte eine Verbindung zu den Walen, denn sie arbeitet im Sommer auf den Whale Watching Touren, die von Hualien aus starten. Im Winter hilft sie Wissenschaftlerinnen dabei aufgenommene Wahllaute auszuwerten. Sie ist also so gesehen dabei eine andere Sprache zu lernen - nur eben keine menschliche!

Ich erzählte ihr von meiner Zeit auf den Azoren und von all den Begegnungen, die ich mit den Walen haben durfte. Sie war sehr interessiert an meinen Geschichten. Zu merken, dass eine mir wildfremde Person, die so weit weg von meinem zuhause aufgewachsen ist die gleichen Interessen und die gleiche Liebe für etwas teilt, dass hat mir ein ganz schönes Gefühl gegeben.

Jedes Mal, wenn ich mit jemanden über das Meer und seine Bewohner ins Gespräch komme (gerade, wenn's um Wale geht) ergreift mich ein Gefühl von allumfassender, freudiger Aufregung. Es fühlt sich an, als ob ich über eine frische Liebe rede. Der Gedanke daran vielleicht irgendwann selbst Mal in diesem Bereich zu arbeiten, der fühlt sich immer noch genau so richtig an, wie vor all den Jahren.

Sie brachte uns außerdem eine ganze Reihe neuer Wörter und Sätze auf chinesisch bei. Wir machten daraus Sprachmemos an uns selbst, um die Aussprache zu üben und ja nicht wieder zu vergessen.


Diese Woche habe ich viel beobachtet, viele Fragen gestellt und dadurch mehr über die Kultur und die Gepflogenheiten erfahren können. Es sollte mich nicht verwundern, doch es tut es, dass hier so viele Sachen komplett anders sind, als ich es erwartet habe. Den Menschen sind solch andere Dinge wichtig, als uns in Mitteleuropa. Und mir geht es nicht darum, ob mir das gefällt, sondern einfach darum, dass ich von ihnen erfahre, und vielleicht lerne.

Es war also irgendwie eine normale Woche. Doch nichts davon fühlte sich normal an. Das ist schön und gleichzeitig anstrengend. Jeden Tag mache ich so viele neue Erfahrungen und hab so viele neue Erkenntnisse. Jeden Tag bin ich stolz auf mich und jeden Tag genieße ich es in meiner eigenen Gegenwart zu sein. Ich hab das Gefühl, dass es mir wahrlich leicht fällt Menschen kennenzulernen und sehe, dass es mich noch Überwindung kostet Einheimische anzusprechen.

Ich kann mir nicht mal vorstellen, was noch alles passieren wird und was noch alles auf mich zu kommt. Ich bin von Grund auf gespannt auf alles was kommt und habe kein Interesse daran dieses Leben in der nahen Zukunft zu verändern. Jedes Mal, wenn ich Zweifel, tun sich wieder unzählige neue Gründe auf, die das hier zum besten Leben machen, was ich mir für mich derzeit vorstellen kann.