trying to put it all in words

Ich erlebe hier so viel und ich weiß nicht, wie ich es alles festhalten soll. Ich bräuchte ein Etwas, dass ich an meine Gedanken anschließen kann, sodass die ganzen Gedanken direkt, wie frisch aus der Presse, aus meinem Kopf aufs Papier kommen.

trying to put it all in words

Ich erlebe hier so viel und ich weiß nicht, wie ich es alles festhalten soll. Ich hab das Gefühl, ich könnte großes aus meinen Erlebnissen kreieren, doch ich hab noch nicht den Weg gefunden, die Art und Weise, auf die ich das am Besten machen kann. Ich bräuchte ein Etwas, dass ich an meine Gedanken anschließen kann, sodass die ganzen Gedanken direkt, wie frisch aus der Presse, aus meinem Kopf aufs Papier kommen.


Seit Mittwoch bin ich hier, in Xincheng, einem Dorf an der Ostküste Taiwans im Landkreis Hualien, nur wenige Kilometer nördlich der gleichnamigen Stadt. Am Tag meiner Ankunft, genauso wie gestern und genauso wie bei meinen ersten Schritten am heutigen Tag habe ich mir gewünscht, ich hätte mein Hostel besser gewählt. Denn hier wo ich bin, da ist augenscheinlich nicht so viel. Es ist nicht der Ort, an dem die weißen Touries länger als zwei Nächte verbringen. Hier vergeht das Leben in der Art und dem Tempo, wie es für die Einheimischen passt. So war auch mein Zimmergenosse gestern Abend sehr neugierig, wie ich zu diesem Hostel gefunden habe. Die Taiwanesen haben eine nette und lustige Art mich diese Dinge zu fragen. Erst ist es einen Moment still und dann kommt meist: ich bin neugierig, was machst du hier eigentlich?

Doch genau dort, wo augenscheinlich nicht viel geboten wird, da ist meist ne ganze Menge. Ne ganze Menge Wärme & Freundlichkeit. Da ist unendliches Detail, was es zu entdecken gibt und das, wenn du auf es achtest, dir viel über die Persönlichkeit und Geschichte des Ortes verrät. Vielleicht ist es die Ruhe hier, durch die ich mich leichter & schneller auf die Einzelheiten des Geschehens konzentrieren kann. Weniger Ablenkung bietet mehr Möglichkeit in einzelne Dinge tiefer einzutauchen.


Heute bin ich mit einem Gefühl allgemeiner Trägheit und Müde aufgewacht. Es ist anstrengend jeden Tag aufs Neue alles herausfinden zu müssen, jeden Tag vor Herausforderungen gestellt zu werden, nur um einen ganz gewöhnlichen Tag verbringen zu können. Das Einzige, was ich dagegen tun kann ist, mich davon nicht schwerer machen zu lassen, als ich bin und sein muss.


Es war ein helles, einladendes Lokal, was ich betrat. Es wirkte jung & modern. Mein erster Versuch die Speisekarte zu übersetzen, der scheiterte trotzdem. Denn phonetische Symbole haben es so an sich, dass sie sich nicht Wort für Wort ins lateinische Alphabet übersetzen lassen. So ist in solchen Momenten das Einzige, was einen wirklich voranbringt mit den Menschen zu reden und sie um Hilfe zu bitten. 

Der junge Mann hinter dem Tresen wirkte sehr nett und offen und so fragte ich ihn per Übersetzung, ob sie hier auch vegetarisches Optionen hätten. Sie hatten eine ganze Menge, denn er kreuzte einige Gerichte auf der Karte an. (Das ist hier eine sehr übliche Sache. Die Speisekarten sind alle laminiert und du streichst auf ihnen an, was du gerne alles hättest). Doch war ich immer noch komplett unwissend - was ist nun was? So fragte ich ihn nach einer Frühstücksempfehlung und war mir sicher, dass er was Gutes auswählen würde. Dazu bestellte ich noch einen Kaffee und war froh, dass ich zumindest das richtig aussprach.

Und ja, das Frühstück war klasse. Er hatte eine gute Kombi zusammen gestellt und ich genoss mein erstes taiwanesisches Frühstück. Es gab eine Art Pfannkuchen mit Ei und Mais & einen Toast (ohne Rinde) gefüllt mit gehacktem Kohl & Gurken, Spiegelei und Käse. Vergleichbar mit keinem Frühstück, was ich je hatte, obwohl die Zutaten erstmal sehr gewohnt klingen. Essen zu bestellen -  eine solch simple Sache, doch es bedurfte einer ganzen Menge meines Mutes und belohnte mich mit großer Erleichterung.

Ich fühlte mich wohlig aufgehoben in dem kleinen Laden. Neben mir saßen die drei, die hier arbeiteten und genossen mit ähnlichem Frühstück, wie meinem, ihren baldigen Feierabend. Ich traute mich nicht sie anzusprechen, doch beim nächsten Mal werde ich es vielleicht tun. Ich möchte mich verbundener mit diesem Ort und den Menschen fühlen, und das geht nun mal nur durch Kontakt.


Mit dem Rest meines Cafés in der Hand zog ich weiter, lief durch die Xincheng Old Street, welche heute zu meinem Erstaunen gut besucht war. Die Situation erinnerte mich an die Zeit auf den Azoren, wo es immer voll war, wenn ein Kreuzfahrtschiff ankam. Das Äquivalent dazu sind hier die Reisebusse, die die Touristen (ausschließliche asiatisch) im kleinen Xincheng absetzen und durch die Straßen ziehen lassen.
Durch den Trubel fühlte ich mich nicht mehr so fehl am Platz, denn ich war nun nicht mehr die einzige Unbekannte. Durch den Andrang an Menschen war nun auch Betrieb in all den kleinen Essensstände, die am Straßenrand verteilt stehen. Die Luft war gefüllt von Neugier & dem Geruch unterschiedlichsten Essen, und mit jedem Lächeln, was ich von Menschen zurückbekam, fühlte ich mich etwas mehr angekommen und warm ums Herz.

An einem winzigen Stand bereitete eine ältere Dame meine geliebten chēlún bǐng zu, die kleinen, fluffigen, runden Küchlein, die auf allerlei Art gefüllt werden. Wir verstanden einander nicht, doch bekam ich trotzdem genau die Sorte chēlún bǐng, die ich wollte. Ich schätzte ihre Geduld für mein nicht Beherrschen ihrer Sprache, bedankte mich und wanderte weiter. 

Jedes Haus, jedes Restaurant, jeder Stand existiert genauso drinnen, wie draußen. Ein alter Mann, seine Hände voller Mechaniker Schmiere, saß in Mitten von alten Elektroteilen und anderem Allerlei, vertieft in das Werkeln an einem alten Fahrrad. Er war komplett vertieft in sein Tun und strahlte dabei die tiefste Ruhe aus. Eine solch friedliche Unbekümmertheit umwog ihn -


Mich zog es ans Meer, welches am Ende der alten Straße liegt. An diesen Tagen, wo das Land von tiefen Wolken überzogen wird, da strahlt der Pazifik in einem hellen Blau und die Wellen brechen grau. Schwalben vollziehen ihre Kunststücke um mich herum und ich bleibe stehen, um ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken, der sie so würdig sind. Sie sehen so anders aus, wie zuhause. Fliegen noch eleganter, noch frecher und bewirken doch genau das gleiche Gefühl in mir, wie die Schwalben, die ich aus der Heimat kenne.

Das Meer schlägt heute größere Wellen, als an meinem ersten Tag in Xincheng und ich steige die Treppen hinab, um ihm näher zu sein. Zu meiner linken: 3 Angelrouten und 2 Männer. Einer älter, einer jünger. Ich beobachte den Alten. Er hat irgendetwas an sich, dass mein Interesse weckt. Er, genauso wie der werkelnde Mann zuvor, wirkt, als gebe es für ihn nichts Wichtigeres zu tun, als nun grad hier zu sein und sich dem Angeln hinzugeben. Auf seinem Gesicht liegt ein gemütliches, zufriedenes Lächeln. Zwei mal beobachte ich, wie es an seiner Schnur zieht. Ruhig nimmt er die Angel in die Hand und holt gekonnt die Leine ein. Beide Male, nichts. So bereitet er die Schnurr erneut vor, steckt sie in die Halterung und setzt sich wieder zu seinen Sachen auf einen Stein.


Weisst du, was in-yun ist? Ich habe erst vor Kurzem etwas darüber gelernt. Meinem Wissen nach handelt es von der Bindung zwischen Menschen, die sich durch vergangene Leben zwischen ihnen entwickelt hat. So hat eine jede Begegnung mit den Menschen, die du triffst, in einem vorherigen Leben schon einmal stattgefunden. Die Menschen, denen du begegnest, denen bist du auf eine andere Art und Weise bereits begegnet. Ich habe kürzlich einen Freund kennengelernt, der sagte mir, dass wir vor 3 Leben einmal zusammen am Lagerfeuer Tee getrunken haben. Doch nicht immer hat man wohl ein Gefühl dafür, wo man die Person "das letzte Mal" getroffen hat.
Für mich ist es, seit dem ich darüber weiß, so, als wäre alles auf dieser Welt miteinander verknüpft. Wo ich zuvor eine Magie gespürt habe, wenn ich aufmerksam das Geschehen und die alltäglichen Dinge beobachtete, da vertieft das Wissen über in-yun diese Magie um etliche Schichten.

Immer öfter bin ich erfüllt von tiefer Dankbarkeit und Wertschätzung für das Leben, dass ich lebe und die Dinge die ich tun darf. Voller Ehrfurcht und Erstaunen erlebe ich Augenblicke, in denen das Wunder des Lebens selbst auf mich einkracht. Wie kann das alles sein? frage ich mich dann.
Dieses Gefühl wird durch das Wissen über in-yun um unendliche Schichten tiefer.


Und das ist doch alles, was wir uns je gewünscht haben, oder? Zu erleben, dass da Mehr ist. Dass es da eine Magie gibt, die vielleicht anders ist, als in den ganzen Filmen, doch sie so viel besser ist, weil wir sie nun selbst spüren.
Zu erkennen, dass sie überall liegt, uns jeden Tag zur Verfügung steht, wenn wir offen und bereit dafür sind, sie willkommen zu heißen. Alles was es dafür braucht ist Zeit und Hingabe.

Ich habe so einen, vielleicht meinen Weg gefunden, wie ich das Leben wirklich in mich aufnehmen kann. Wahrscheinlich ist es erst der Anfang, doch es fühlt sich an, wie Alles. Das Reisen verlangt von mir den höchsten Grad an Aufmerksamkeit für meine Umgebung. Jeden Tag muss ich mich auf eine neue Welt einstellen, kein Tag gleicht dem anderen und so vergehen sie alle wie im Flug. Wenn ich nicht aufpasse ziehen sie an mir vorbei ohne, dass ich sie richtig wahrgenommen hab. Doch das darf nicht passieren. Deswegen schreibe ich es auf. So ist zu entdecken, aufmerksam zu sein und dann darüber zu schreiben, mir grad das Liebste der Welt.

Endlich kann ich sagen, dass ich ein Leben gefunden habe, was für mich funktioniert, so lange, bis es das nicht mehr tut.
Für die längste Zeit steckte ich in Realitäten, die mir nicht gut taten, immer begleitet von dem Gefühl, dass es nur besser wird, wenn ich meinen ganz eigenen Weg gehe. Das nun dies mein eigener Weg ist & dass er mich an diesen Ort führt, das hätte ich wohl niemals gedacht.


Und ich laufe die alte Straße in Xincheng entlang, in der ich förmlich fühlen kann, wie viel in-yun in ihr steckt. Die Geschichte geht soweit zurück und ich bin auf eine Art, die ich nie kennen oder verstehen werde, mit ihr verbunden.
Ich laufe die Straße hinab und frage mich, was mich wohl mit diesem Ort verbindet und wie es sein kann, dass ich nun wieder hier bin. Das ich nun hier bin - es ist unglaublich.