Zwei Wochen Slowakei

Zwei Wochen Slowakei
Poprad through my eyes :)

Poprad, Slowakei, Oktober 2023

Gedacht als Überbrückungszeit, als Stopp auf Durchreise nach Istanbul, wurde die Zeit in Poprad, Slowakei, um einiges besonderer, als erwartet. Berlin war schon am zweiten Tag vergessen. Ausgehen und soziale Kontakte habe ich hin und wieder zwar vermisst, doch das Wissen, dass die Zeit an diesem Ort begrenzt ist, machte es einfach zu einer Tatsache, welche mich nie länger als einen Moment traurig stimmte.


Zum ersten Mal in der Slowakei, war ich gespannt auf die Menschen, insbesondere darauf, wie sie zu Besuchern sind & wie ich mich zwischen ihnen fühle. Obwohl zuerst kühl wirkend, wurde ich von einer Freundlichkeit und Zugewandtheit der Leute überrascht, mit der ich nicht gerechnet hatte. Mit Poprad hatten wir eine für die Slowakei relativ große Stadt gewählt, doch ein wirkliches Stadtleben konnte wenn überhaupt im Stadtkern erlebt werden. Wir wohnten im westlichen Teil der Stadt, welcher nah zum Flughafen liegt. "Zum Flughafen" war dementsprechend auch der Name der Straße, in der wir wohnten. Ich denke, dass gibt ein gutes Gefühl dafür, wie groß Poprad realistisch gesehen ist.


Unsere Unterkunft bestand aus einem großen Zimmer, Bad und einem kleinen Nebenraum, den wir auch bei größter Großzügigkeit nicht Küche nennen konnten, welcher sich aber als vollkommen zweckerfüllend erwies. Das Gebäude erweckte Eindrücke eines alten amerikanischen Motels, wobei unser Zimmer eins von dreien war, zu welchen eine wackelige Wendeltreppe nach oben führte. Pluspunkt: wir hatten damit so gesehen einen Balkon, von welchem wir sogar das die Tatras sehen konnten. Glücklicherweise waren wir durchgehend ohne Nachbarschaft, sodass ich mir die Terrassenmöbel zu eigen machen konnte und es nicht weiter auffiel, dass die Wände des Apartments aus Pappe waren.


Ganz meiner Routine nach verbrachte ich jeden freien Nachmittag damit, die Umgebung zu erkunden. Die Straßen waren mir schnell bekannt, doch die Vertrautheit kam erst mit der Zeit. Es war interessant zu sehen und zu spüren, wie unterschiedlich die Gegend im Vergleich zu einer deutschen Nachbarschaft ist...

Was mir zu aller erst aufgefallen ist, war die Art und Weise auf welche die Menschen hier mit der Natur leben. Denn anders als in Berlin ist hier in Poprad spürbar, dass die Menschen mit ihr leben und nicht gegen sie. Dass sie nicht auf ihr herum trampeln, sondern ihr Wertschätzung gegenüber bringen. Die Straßen sind sauber, die Luft ist klar. Ich denke, dass die Berge einen großen Einfluss auf die Lebensart der Menschen haben, im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Präsenz ist allgegenwärtig, denn sie sind von jedem Ort in der Stadt aus sichtbar und so kann es gar nicht anders sein, als das sie das tägliche Geschehen in der Stadt und das Miteinander von Mensch und Natur beeinflussen.

Als Tor zum Tatra-Gebirge ist Poprad umgeben von Feldern und Wäldern, umrahmt von einem Nationalpark im Süden und der Hohen Tatra im Norden.

Blick auf die Hohen Tatras

Das hohe Tatra-Gebirge mit der Gerloff-Spitze als höchsten Punkt auf gut 2600 Metern Höhe: Dieses Gebirge macht besonderen Eindruck, da es so scheint, als wäre es einfach irgendwann ohne Vorwarnung aus dem Boden geschossen. Landschaftlich kündigt es sich nicht an, ganz im Gegenteil: es scheint aus dem flachen Land emporgeschossen zu sein. Es kann in seinem kompletten Ausmaß beobachtet werden, befindet man sich an der nördlichen Stadtgrenze. Ohne Gebäude, die einem die Sicht versperren ist es möglich die komplette Gebirgskette ohne Weitwinkel-Funktion mit dem Handy zu fotografieren. Soll heißen: es ist ein kleines, sehr kleines Gebirge, Flächenmäßig betrachtet. Tatsächlich nimmt es nur eine Fläche von 785 qm2 ein und schafft damit unfassbar viel Artenvielfalt auf kleinster Fläche.

Noch näher kommt man zu den Tatras mit dem E-Zug. Dieser fährt am Bahnhof von Poprad los und bring einen zu vielen kleinen, muckeligen Bergdörfer. Manche erreicht man in nur 20 Minuten Fahrt, zu anderen fährt man eine gute Stunde. In unserer Zeit in Poprad schafften wir es 3 Dörfer zu besuchen. Während diese vom ”Konzept” her zwar relativ ähnlich waren, boten sie doch alle etwas unterschiedliches und es war mehr als lohnenswert allen einen Besuch abzustatten. 


Die Hauptbeschäftigung an unseren wochenendlichen Trips in die Bergdörfer: Wandern natürlich! Für die Slowakinnen und Slowaken scheint dies eine Aktivität für die ganze Familie zu sein, vor welcher auch die jüngsten nicht verschont bleiben. So trafen wir auf gut 1600 Metern Höhe einen Vater mit seinem (vielleicht) 6 jährigen Sohn. Der Kleine trug seinen eigenen Rucksack den Berg hinauf und es machte nicht den Eindruck, als würde er auf irgendeine Weise verschont werden. Für ihn galt das gleiche Programm, wie für die Großen.

Dass das Wandern in dieser Region sich solch großer Beliebtheit erfreut, ist kein Wunder. Denn es ist in keinster Weise untertrieben, wenn ich schreibe, dass die Landschaft in Mitten der Tatras wohl mit das Schönste ist, was ich je sehen durfte. Endlos fließende Tannenwälder durchzogen von Gebirgsbächen. Vögel, die über unsere Köpfe hinweg flogen wie kleine Elfen, so leicht wie Federn, aber bestimmt in ihrem Fliegen wie ein Schwarm Fische unter Wasser. Neben den dunkelgrünen Tannen färbten einige Ahornbäume die Landschaft in die buntesten Herbstfarben. Es leuchtet gelb, orange und rot, so, wie ich es zuvor noch nie gesehen hab. Und vor jedem dieser Ahorne blieb mir nichts anderes übrig als stehenzubleiben und einen Moment in ihrem Anblick zu versinken. Ein Herbst, wie aus dem Bilderbuch.

Doch es waren nicht allein die Farben, die mich so begeisterten, viel mehr war es die Erkenntnis, dass diese Bäume nun jeden Tag anders aussehen werden. Etwas, was mir vorher nie so wirklich aufgefallen war. Wenn ich diesen Baum morgen wiedersehe, wird er nicht mehr sein, wie er gestern war. Seine Blätter werden sich weiter verfärbt haben und uns dadurch zeigen, wie die Zeit vergeht. In zwei oder drei Tagen, wird er vielleicht mehr orange wirken als grün, obwohl Grün die eigentliche Farbe seiner Blätter ist. Für mich liegt darin die Magie der Natur & der Jahreszeiten. Ich bin dankbar, dies wahrnehmen zu können und die Fähigkeit zu haben, es als etwas besonderes zu erkennen.


Zurück in der Stadt konnte ich etwas weiteres beobachten. Nicht nur waren die Gärten der Menschen überaus gepflegt und ordentlich, sie waren auch alle bestückt mit alten, groß gewachsenen Obstbäumen. Pünktlich zum Herbst trugen viele von ihnen die schönsten & rotesten Äpfel. Makellos, so wie ich es nur von Bäumen auf Plantagen erwartet hätte. In Anbetracht ihrer herausstechenden Qualität, mussten sich die Besitzer der Gärten, in denen sie stehen, jahrelang gut um sie gekümmert haben. In jedem zweiten Garten waren solch prachtvolle Bäume zu finden.

Prächtig, gesund & voller Frucht.

Meine Straßen, voller Tannen und Tonnen von Obstbäumen. Ich nehme an, dass die Gärten und ihr Ertrag ein wichtiger Teil des Kulturguts der Region sind. Es hat etwas urtümliche, bodenständiges und zeigt einmal mehr, wie die Menschen auf ihre Umwelt Acht geben, sie schätzen. Das zeigte sich weiterhin in den sauberen Straßen. Herumliegender Müll war vergebens zu finden. Ich merkte ständig & überall: hier herrscht ein anderes Miteinander, hier respektiert man seine kleinen Nachbaren und weiß, warum es wichtig ist, sich um die Natur gleichermaßen zu kümmern, wie um sich selbst.

Auch den Vögeln gefällt das, denn ihnen bieten die vielen Obstbäume und -sträucher wichtiges Futter. Und so fliegen sie in schwärmen durch die Straßen und machen, dass die Bäume singen. Sie sind so klein, dass sie im Laub der Bäume nur schwer zu entdecken sind und sie sind so schüchtern, dass du sie nur siehst, wenn sie vor die weg fliegen.


Poprad - ruhig und kalt, mit viel Sonne und viel wärmendem Essen. Ich fühlte mich gut aufgehoben mit den Menschen, selbst, wenn wir nicht viel kommunizieren konnten. Die Menschen sind, obwohl zurückhaltend, herzenslieb und es zieht mich schon wieder dort hin zurück. Es gibt in diesem Land noch viel mehr zu entdecken und zu erleben.


So trifft es sich gut, dass die Reise schon nächste Woche zurück in die Slowakei geht. Bis Mitte Dezember werden wir auf einer Farm im Süden des Landes mithelfen und uns um Garten, Schafe und Hühner kümmern. Umgeben von Wald und Bergen, mit dem nächsten Supermarkt im nächsten Ort, werden wir endlich die ununterbrochene Ruhe bekommen, nach der ich mich die ganze Zeit so sehne.