02/11 farm

02/11 farm
goats & sheep, slovak 23

Es ist November. Und genauso, wie im Oktober bin ich auch jetzt am besten Ort, an dem man im November sein kann.

Wir leben für diesen Monat auf einer Farm in der Slowakei, nähe der Stadt Modry Kamen. Die Bäume haben nun die bräunlichen Herbsttöne angenommen, strahlen einem nicht mehr voller Aufregung ins Gesicht. Doch ich erfreue mich immer noch ihres Anblicks, jedes mal wenn ich nach oben auf den Berghang über dem Grundstück gucke. Mein größtes Glück ist die kleine Ziege Lilly, die mehr Zuneigung braucht, als so mancher Hund. Schon jetzt vermisse ich sie für die Zukunft.

Es ist nun immer kühl, doch die Sonne scheint und die Tiere laufen den ganzen Tag lang glücklich über die Wiesen. Wir sind frohen Mutes und die Luft riecht stets frisch.

Trotzdem ist mein Kopf morgens gefüllt mit Sorgen und Gedanken, die von den Wänden meines Kopfes abprallen wie Ping-Pong Bälle. Die Zukunft hält zu viele Unsicherheiten bereit und ich will immer gerne die Kontrolle behalten. Es gibt Dinge, viele Dinge, die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Dies wurde mir vor einer langen Weile bewusst. Doch die Erkenntnis stellt das Verhalten nicht automatisch um. Es braucht Zeit und es braucht Fehler, die gemacht werden müssen. Und ich mache nicht gerne Fehler.

In diesen Zeiten wünsche ich mir oft, das Leben von anderen, anstatt des meinen. Von anderen, die die eine Sache für sich gefunden haben, sich daraus etwas eigenes, unabhängiges aufgebaut haben und nun, in meinen Augen, wunschlos glücklich sind.

Ich will diese eine Sache finden. Ich will endlich aufhören können zu suchen und einfach sein. Doch wahrscheinlich werde ich finden und zufrieden sein erst, wenn ich wirklich und ehrlich aufhöre zu suchen. So habe ich auch meine Liebe gefunden, und sie mich.


Die Meisten von uns sehnen sich nach äußerem Einfluss und Inspiration. Wir verfolgen genauestens die Leben von anderen, fordern Feedback und geben mehr auf die Meinung unseres sozialen Umfelds, als auf unsere eigene. Es ist, als würden wir dem Gespür von allen Menschen um uns herum vertrauen, nur unserem eigenen nicht.

Ob soziale Medien, Freunde & Familie oder Öffentlichkeit & Gesellschaft. Sie alle sind Quellen für unser Denken, Handeln, Fühlen & Leben und ich glaube, dass wir es nie anders wollten. Wir fühlen uns verloren, wenn wir uns mit niemandem vergleichen können, keinen Anhaltspunkt für unser eigenes Verhalten und unsere Entscheidungen haben. Denken, wir gehen auf Stillstand, entwickeln uns nicht mehr weiter, wenn von außen keine Reize kommen. Bleiben nicht einmal stehen und lauschen nie dem, was unser Inneres versucht uns zu sagen. Merken nicht, wenn es uns in die eine, statt in die andere Richtung lenkt.

Was wollen wir wirklich in unserem Leben? Wie soll unser Leben aussehen, wonach wollen wir streben, was gibt uns Richtung und ein Gefühl von Sinn?

Ich glaube, dass bereits alle diese Antworten irgendwo in uns existieren, nur ist es leichter den Regen auf sich runterprasseln zu lassen, als die Sonne zum Scheinen zu bringen.


Wir sind darauf getrimmt äußeren Einfluss zu brauchen und zu suchen. So funktioniert unsere Gesellschaft. Nur so kann unsere Wirtschaft aufrecht erhalten werden, denn unser Interesse an der Außenwelt ist unser Konsum.

Doch wenn wir alle einen Weg in uns haben, aber die wenigsten ihm nachgehen, ihn erforschen - wo landen wir dann?

Und wie kann es sein, dass wir die Ideen, Träume und Ziele anderer mehr respektieren als unsere Eigenen? Im Endeffekt wird unser Gegenüber sich doch genauso fühlen, wie wir uns, und unsere Ideen, Träume und Ziele mit höherem Wert ansehen, als die seinen. Hier nach dürfte mir eigentlich Nichts mehr im Weg stehen, um meinen Persönlichen Neigungen und Ambitionen endlich zu vertrauen.

Nichts - außer mir selbst.


Der Grund, aus dem ich reise ist die Inspiration, die ich an jedem Ort bekomme. Doch es ist eine Art von Inspiration, die von innen heraus kommt, denn ihr Funke entsteht in mir. Gleichzeitig würde der Funke nie existieren, wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin und würde ich nicht sehen und erleben, was sich außerhalb von mir abspielt.

Der Unterschied zu oben genannten äußerem Einfluss liegt darin, dass mir die Natur und die Tiere, zwischen denen ich mich hier befinde, nicht ihre Meinung aufdrücken. Sie sind einfach da. Und mehr als in jeder Stadt fühle ich mich hier von meiner Umgebung umwogen, akzeptiert und verstanden. Die Natur ist einfach da. Mehr braucht sie auch nicht tun, um mich so inspiriert fühlen zu lassen.


Heute hab ich eine Quiche, einen Appelcrumble und ein Feuer gemacht. Heute hab ich mich um Ziegen, Hühner und Schafe gekümmert. Heute habe ich schwere Momente, Langeweile und Freude erlebt. Heute hab ich gefühlt.

Heute hab ich gefühlt, deswegen weiß ich, dass ich am Leben bin.